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Der Dreh mit dem Wind 1   aus Gazette 4-91

von Ruedi Moser

Da fahren sie, uneinholbar! Eben waren sie noch in nächster Nähe, zwei, drei Wenden vorher!? - Es müssen doch neue Segel her und und und ... Halt, halt, das lässt sich einiges günstiger bewerkstelligen!
Im Unterschied zu allem, was es im Segelshop gibt, ist der Wind gratis und Winddreher gibt es zu Hauf. Machen wir uns diese zu Nutze. Du segelst einfach zum nächsten Dreher hin und wendest. In weniger Zeit als es braucht, das Portemonnaie zu öffnen, hast du dem mit den brandneuen, noch knisternden Segeln Bootslängen abgenommen! Das ist Regattasegeln, jeder nach seinen Kräften!

Wenn es eine gültige Verallgemeinerung über den Wind gibt, dann jene, dass er ständig dreht. Auch wenn er sehr stabil aussieht! Und immer, wenn er dreht, werden enige Boote gewinnen, andere verlieren. Drei Faktoren bestimmen, wie deine Ernte wird, wenn der Wind die Richtung ändert:

1. Richtung des Drehers:

Sprossen Gewinner oder Verlierer? Das Grundprinzip für die Kreuz ist einfach: Boote 'näher' der neuen Windrichtung werden gewinnen. Es kommt dabei nicht darauf an, auf welchem Bug sie gerade segeln.

Mit anderen Worten: Wenn auf der Kreuz der Wind nach links dreht, werden die Boote links profitieren und umgekehrt.

Mit Hilfe der 'Leitersprossen' lässt sich dieses geometrische Problem veranschaulichen. Sie liegen immer senkrecht zur Windrichtung. Beim Kreuzen klettern alle die Leiter hoch. Dreht der Wind, ändern auch die 'Sprossen' ihre Lage. Als Resultat sehen wir, dass A durch den Dreher klar in Führung geht, während B zu C aufschliesst. Die Boote links werden gegenüber denen rechts bevorteilt.
Auf dem Vorwinder gilt das gleiche Prinzip: Boote, die auf der Seite des Winddrehers liegen, landen auf einer höheren Sprosse. Da aber auf dem Vorwinder das Ziel ist, die Leiter runter zu klettern, sind das die Verlierer!

Blau profitiert durch den Dreher. Er ist auf den neuen 'Sprossen' weiter unten.
vorwind
Wieviel ein Boot bei einem Dreher gewinnt oder verliert, hängt von zwei Dingen ab:

2. Winkel des Drehers:

Winkel Anlieger Je grösser der Dreher, desto mehr wird man gegenüber anderen Booten gewinnen - oder velieren. Ein Dreher von 10 Grad wird zum Beispiel einen doppelt so grossen Gewinn/Verlust verursachen wie einer von 5 Grad. Dieses Prinzip gilt sowohl für die Kreuz als auch für den Vorwinder.
Dreht der Wind so stark, dass man dabei ausserhalb der Anliegelinien gerät, verändert sich die Sachlage natürlich drastisch. Gewinnen kann man nur innerhalb!

3. Distanz zwischen den Booten:

Diese Distanz wird senkrecht zum Wind gemessen und wirkt wie ein Hebel. Je weiter die Konkurrenten seitlich auseinander liegen, desto grösser wird der Gewinn, respektive Verlust ausfallen, wenn der Wind dreht. Hebel
Der Gewinn/Verlust wächst proportional zur Länge des 'Hebels'

4. ... und wie man sein Wissen anwendet

Das Gewinn- oder eben auch Verlustpotential mit Winddrehungen auf der Kreuz oder dem Vorwindkurs ist enorm. Wie du damit umgehst, hängt stark davon ab, wie du im Feld unterwegs und wie sicher du bist, wie sich der Wind verhalten wird.
Wie deine Position auch immer ist, auf der Kreuz gilt die Faustregel: Segle auf die Seite, auf welche der nächste Dreher geht. Das bringt dich auf die höchste 'Leitersprosse' und maximiert den Gewinn.
Falls du nicht sicher bist, was mit dem Wind geschehen wird, beobachte die Boote vor dir sehr genau. An ihnen kannst du einen Dreher häufig früher erkennen als am Kompass. Wenn du gut im Rennen liegst, solltest du versuchen,den 'Hebel' zu deinen Verfolgern möglichst klein zu halten und damit eventuellen Verlust durch Winddrehungen zu minimieren.

Hebel
Dreher 10m 100m 200m
0.5m 5m 10m
1.2m 12m 24m
10° 2.5m 25m 50m
15° 3.7m 37m 74m
Gewinn / Verlust

Bist du hinten, liegt deine Chance darin, möglichst viel seitliche Distanz zwischen dich und deine Gegner zu legen, also einen möglichst langen Hebel zu erhalten. Damit maximierst du einen möglichen Gewinn. Du nimmst dabei natürlich auch in Kauf, dass der Verlust maximal ausfällt, falls der Wind auf die falsche Seite dreht.

Ein Aspekt, den man nicht vergessen darf, ist die Änderung der Windstärke. Bis jetzt haben wir nur betrachtet, was geschieht, wenn der Wind einzig die Richtung ändert. Winddreher sind aber meistens auch mit einer Veränderung in der Stärke verbunden, was Gewinn und Velust noch zusätzlich vergrössert.


Die grössten Gewinne in Regatten werden durch Winddrehungen erzielt. Trotzdem: wenn zwei Teams es gleich gut verstehen, die Dreher auszusegeln, werden diejenigen die Nase vorn haben, die das Boot besser im Griff haben, sprich mehr trainiert haben. Dieses Wassertraining verbessert auch das Gespür für den Wind, welches sich durch Lektüre und Kopfarbeit nicht erwerben lässt.


zur Fortsetzung: Der Dreh mit dem Wind 2

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