Letzte Änderung: 9.5.04 |
swiss fireball |
Taktik, Technik, Trimm und Tricks
|
Häng di! aus Gazette 2-93
von Ruedi Moser
Über die Arbeiten der Steuerlis ist schon viel berichtet worden. Nicht, dass sie ausserordentlich viel zu tun hätten, nein! Aber wichtig sei es, was sie tun, wichtig und natürlich extremal schwierig.
Am Draht hängen, kein Problem! - Häng dich mal aus, oder für weniger Mutige, nicht ein (die Überraschung ist für beide gröser), blitzartig steht die Welt Kopf ... . Weniger wichtig, hä! Es braucht halt beide. Darum etwas Nahrung für die Hängerlis ...
- Die Fireball-Fock ist sehr hoch und schmal. Kleine Änderungen in der Schotspannung haben grosse Auswirkung auf den Twist im oberen Teil des Segels. Die korrekte Spannung ist also entscheidend für gutes Vorwärtskommen. Um eine als gut befundene Einstellung immer wieder reproduzieren zu können, kann eine an der Schot angebrachte Marke recht hilfreich sein. Mit einem wasserfesten Filzstift oder kontrastierendem Faden kann die Stelle, wo die Schot bei der Umlenkrolle steht, markiert werden. Natürlich stimmt diese Marke jetzt nicht für alle Bedingungen, aber es ist leichter, sich an ihr zu orientieren.
- Bei windigen Bedingungen fierst du die Schot ein wenig, wenn eine Böe einfällt. Das öffnet die Düse zwischen Gross und Fock (glechzeitig sollte das Gross ja auch gefiert werden!) und erlaubt dem Boot zu beschleunigen. Ohne wird der Bug tiefer ins Wasser gedrückt, das Boot krängt und 'MC Kenter' lacht sich ins Fäustchen. Ist es sehr böig, musst du die ankommenden Böen auf dem Wasser ausachen (dunklere Flecken) und die Schot schon vor dem Windstoss aus der Klemme nehmen, bereit, sie zu fieren. Ist die Böe vorbei, Schot wieder dicht in die Normalposition.
- Nimm nie an, dein Steuerli sieht etwas! Schon gar nicht andere Boote, Bojen oder ähnliches ... . Seine Augaben ist es, schnell zu fahren und nicht umher zu gaffen. Dieses Privileg ist dir vorbehalten. Also sag weiter, was du siehst.
- Denk vor dem Start das Rennen durch: Wo kann der Spi gesetzt werden? Versorge ihn in den Leesack, den Spibaum auf der Luvseite, die Rampe sichtbar. Für einen normalen olympischen Kurs ist das der linke Spisack, der Spibaum liegt rechts bereit. Mit einem guten, vorbereiteten Spihiss lassen sich häufig wichtige Meter gewinnen.
- Kurz vor der Luvboje sollte die Steuerfrau den neuen Luvbarberholer dicht ziehen. Um das zu ermöglichen, musst du das Schothorn ein Stück aus dem Sack ziehen, indem du dich schnell vorbeugst und an der auf dem Vordeck liegenden Spischot ziehst. So ist nach der Boje für dich wieder etwas weniger zu tun und etwas Zeit gewonnen. (Steuermännern steht das übrigens auch gut an ...)
- Muss der Spi einmal aus dem Luvsack gesetzt und geworfen werden, ist auf folgende Dinge zu achten, um Unannehmlichkeiten zu verhindern: Luvbarber dicht, Luvschot frei! Damit sie wirklich frei ist und der Spi beim nach vorn Fliegen nicht gestoppt wird, zieht man die Schot am besten ganz durch, bis der Stopperknoten am Barber ansteht. Es gibt keinen sichereren Weg in die Ehekrise oder ähnliches, als wenn du auf der Schot stehst und der Spi zwischen Fock und Gross verschwindet. Da hilft nur noch schnelles Einpicken des Spibaums, starkes Abfallen und Ziehen an der Leeschot.
Um etwaiges Verdrehen des Spinnakers (sog. Sanduhr) zu verhindern, kann das Schothorn vor dem Setzen mit der Leeschot bis zum Vorstag gezogen werden.
- Spibaum eingehängt, blopp, Spischot am vorderen Ende rausgefallen! - Auch schon passiert? Ersetzt man die Mitte der Reissleine zum Öffnen der Beschläge mit 20-30 cm Gummi, ist die Chance kleiner, beim Einpicken am Mast gleichzeitig die Schot auszuhängen.
- Spibaumhorror Nr. 2: Der 'Chäib' ist einfach 5 cm zu lang, der Kopf hochrot, im Schiff hinten wirds laut. Lässt man den Spibaumhochholer ein Stück runter, ist der Druck beim Einhängen am Mast viel kleiner , es geht einfacher und schneller (Nachher aber nicht vergessen, wieder richtig einzustellen!).
- Es ist problemloser den Spibaum zu versorgen und den Spi zu bergen, wenn das Tuch nicht wild umher flattert! Übergib vor dem Bergen die Schot deinem Steuerli, der Spi bleibt dann ruhig.
- Guter Stand auf dem Seitendeck muss für dich fast Ein und Alles bedeuten! Ein guter Antirutschbelag auf der Scheuerleiste und am Schwertkastendeckel (erleichtert das Hinausschwingen) kombiniert mit rutschfesten Sohlen sind ein Muss.
- Die Länge des Trapezdrahtes ist sehr entscheidend für deinen Komfort (zwicken tuts übrigens alle irgendwo). Faustregel: Der Griff befindet sich etwa auf der Höhe des Lümmelbeschlags, wenn man das Trapez an den Mast hält. Unter dem Griff befindet sich eine Talje, mit der der Haken von etwas unter der Deckskante bis direkt unter den Griff verstellt werden kann.
- Es ist optmial möglichst tief, Füsse zusammen und mit mindestens einem Arm hinter dem Kopf zu trapezen. Stil kommt jedoch niemals vor Funktion! Es ist zwar sehr aerodynamisch, mit geschlossenen Füssen, den Armen hinter dem Kopf verschränkt und ohne mit der Wimper zu zucken ums Vorstag zu fliegen, aber obs auch längerfristig den Bootsspeed steigert...? Hast du in Wellen oder auf einem wilden Spi-Ritt Balanceprobleme, stelle die Füsse weiter auseinander, häng dich höher, lass die Hände unten, bereit auch mal Halt an der Schwimmweste deines Steuerlis zu suchen.
- Steuerlis gehören zur Gattung der Menschen. Sie unterliegen manchmal uns störenden Gefühlsschwankungen oder Geistesverwirrungen. Es ist unsere Aufgabe Schlimmes zu verhindern und ihre Kräfte in geeignete Bahnen lenken. Ein verabreichter Adrenalinschub vor dem Start oder kurz vor dem Einschlafen auf dem Vorwinder kann manchmal nicht schaden. Manche brauchen aber auch aufmunternde Worte.
- Die letzte und wichtigste Regel im Leben eines Hängerlis ist: Der Steuerli hat immer Recht! Obwohl die Erfahrung zeigt, dass sie in 99% aller Fälle falsch liegen, phonstärke und exotisches Vokabular bringen kaum Plätze zurück.
zurück zum Inhaltsverzeichnis
Neustart der SF-Website
Mitteilungen diese Seite betreffend bitte an
sf@swiss-sailing.ch
http://www.fireball.ch/gazette/2_93/hängdi.htm
© SF, Swiss Fireball, 2001