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Taktik, Technik, Trimm und Tricks

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Let's fall in Love ... Leichtwindsegeln   aus Gazette 1-00

von Ruedi Moser

Regatten bei Leichtwind werden von den meisten entweder heiss geliebt oder gehasst. Da gibts kaum ein Dazwischen. Liebst du sie, bist du gut unterwegs, weil Begeisterung und Selbstvertrauen dich gewieft und schnell machen.

Gehörst du zum grossen 'Ich-hasse-Schleicherregatten-Klub' ist Misserfolg beinahe vorprogrammiert. Die Einstellung ist möglicherweise das grösste Hindernis zum Erfolg bei Schneckentempo.

'Let's fall in love' also! Aber wie? Beginnen wir damit, für uns Positives zu finden: die Ruhe auf dem Wasser, Zeit für Bootgeflüster (vor dem Rennen natürlich), das sicher trockene Linzertörtchen, gischtfreie Sicht. Stressiges versuchen wir zu beseitigen: Durst, Schweiss treibende Kleidung, dicke Spischoten, leckende Lenzer usw.
Auf dem Weg eine bessere Einstellung zu finden, kommt man an Gedanken zu Strategie und Bootstechnik nicht vorbei. Kann man einige, wenn auch nur kleine Verbesserungen erzielen, beginnt Liebe zu keimen. Gelingt es, Leichtwind als herausfordernde Variante mit ihren eigenen Tricks zu sehen, steht der grossen Liebe nichts mehr im Weg.

10 Tipps

1. Schnell segeln!
Langsam zu segeln ist bei Leichtwind der grösste Fehler. "Alle segeln langsam bei Leichtwind!" wirst du einwenden.
Ein Segelboot kann bei jedem Wind relativ schnell und tief oder langsam und hoch gefahren werden. Bei Leichtwind ist es wichtig, vorallem einen schnellen Kurs zu steuern. Die Chance gestoppt zu werden ist dann am geringsten. Vom Stillstand wieder in Fahrt zu kommen, dauert sehr lang! Versuche laufen zu lassen (Footing), anstatt zu pressen. Es ist so leichter in Böen zu gelangen, durch Wellen und gestörten Wind zu fahren und zu wenden.

2. Bleib, wo der Wind am stärksten ist!
Bei Leichtwind ist die Stärke entscheidender als Dreher. Die Leader kommen normalerweise aus der Ecke mit mehr Wind. Es ist besser, sich zuerst nach Böen und erst in zweiter Linie nach Drehern zu orientieren. Die Böe erhöht nicht nur die Geschwindigkeit, man kann gleichzeitig höher fahren. So schaut am Ende effektiv mehr Höhe heraus als durch einen Lift. Zum Glück sind Zeichen für Böen auf dem Wasser gut auszumachen, man muss es nur tun! Häufig lässt sich eine Böe schneller erreichen durch Footing oder eine Wende. Denk daran, dass gestörte Luft von einem anderen Boot das Gegenteil einer Böe ist, der Schatten stört weit mehr als an windigen Tagen! Am Rand des Feldes ist der Wind stärker als mitten drin: Für den Wind ist die Gruppe Segel ein Hindernis, dem er ausweicht, nach oben und darum herum.

3. Beachte die Windstärke!
Bei Leichtwind kann eine Böe die Luftgeschwindigkeit leicht verdoppeln oder ein Windloch kann sie halbieren. Die Segel müssen an solch drastische Änderungen angepasst werden, idealerweise sogar voraus. Achte auf korrekte Schotspannung. Viel Twist ist erforderlich.
fühlt sich das Boot schnell an, kann man dichter nehmen, fühlt es sich hingegen langsam an, muss gefiert werden.

4. Gewichtstrimm!
Die korrekte Verteilung des Crewgewichts ist bei jeder Windstärke wichtig. Das gilt besonders auch in leichten Bedingungen: Die Vorschotperson platziert sich so tief als möglich, am besten am Boden, vorallem, wenns Wellen hat. Beide sitzen weit vorn, so dass das Heck frei ist und die Heckwelle sauber abreisst. Krängung nach Lee reduziert die benetzte Fläche, eine Bodenplanke lässt sich so aus dem Wasser heben. Die Segel behalten leichter ihr Profil.

5. Geschmeidige Bewegungen!
Die Elefantenherde lässt man bei Leichtwind besser zu Hause. Geschmeidig und nicht schnell ist die Devise. Die Manöver müssen sorgfältig geplant und ausgeführt werden. Jede unnötige Bewegung muss verhindert werden, zu leicht bricht die schwache Strömung in den Segeln zusammen! Eine Wende zum Beispiel soll ein langsamer, runder Bewegungsablauf sein.

6. Minimiere Steuermanöver!
Bewegungen vom Ruder produzieren Wirbel, der Wasserwiderstand wächst. Bei Leichtwind entsteht eine relativ höhere Bremswirkung als wenn es bläst! Halte das Ruder also still. Man kann den Pinnenausleger auf das Seitendeck legen, um ihn zu stabilisieren. Bootsdrehungen lassen sich durch Krängung und Segelstellungen ohne Bremswirkungen einleiten und verstärken.

Düse

7. Segeltrimm!
Viel Twist, flaches Grosssegelprofil, Mast gebogen, sorgfältiger und relativ leichter Schotzug, kein Baumniederholer. Speed-Fältchen an den Vorlieks sind willkommen. Eine bauchig geschotete Fock erleichtert das Steuern. Es ist im Allgemeinen besser, die Segel zu stark gefiert, als zu sehr geschlossen zu haben. Weht der Achterlieks - Telltale bei der Toplatte im Grosssegel nicht aus, ist das Segel zu dicht. Bei Leichtwind sind geschlossene Segel tödlich! Die Düse zwischen Fock und Grosssegel darf nicht geschlossen sein: Fock getwistet, Grossunterliekstrecker ziehen.

8. Gewicht sparen!
Alles an Land lassen, was nicht unbedingt gebraucht wird! Ein Schwamm ist wichtig, um das Cockpit trocken zu halten.
Der Spinnaker kann je nach Alter sehr viel Wasser aufnehmen. Darauf achten, dass er trocken ist und auch bleibt.
Schoten können ebenfalls sehr viel Wasser saugen. Solche benützen, die möglichst wenig Wasser absorbieren. Besonders Spischoten müssen leicht bleiben, auch wenn sie im Wasser waren. Generell sind dünnere Schoten leichter und laufen ringer, was bei Leichtwind besonders wichtig ist.

9. Taktisch agressiv!
In Starkwind ist konservative Taktik empfohlen, da das Risiko hoch ist, dass bei allzu engen Manövern etwas schief geht. Bei Leichtwind ist diese Gefahr kaum vorhanden. Die Boote sind langsam genug, dass auf ziemlich kleinem Raum präzis manövriert werden kann. Ziehe darum auch taktisch aggressive Varianten in Betracht.

10. Übung macht den Meister!
Darum kommt man nicht herum. Geh segeln, gerade weil es Leichtwind hat! Segle konzentriert, übe Manöver und lagere nicht die Füsse hoch. Fahre erst nachher zur Tränke!


Rollen, was das Zeug hält!

Es gibt dabei nur zwei Stolpersteine: Überbordgehen und die ISAF-Regel 42. Das Ziel ist möglichst viel, aber dennoch legale kinetische Energie zu nutzen. Die Regel 42 verhindert Bewegungen der Crew, die das Boot irgendwie vorwärts treiben könnten. Die Regel kennt aber zwei Ausnahmen (42.3), die es unbedingt ohne schlechtes Gewissen zu nutzen gilt, auch für Schweizer:

42.3 a
Die Besatzung eines Bootes darf Körperbewegungen ausführen, um Rollbewegungen zu verstärken, die das Steuern des Bootes im Verlauf einer Wende oder Halse erleichtern, sofern die Geschwindigkeit des Bootes direkt nach Beendigung der Wende oder Halse nicht grösser ist, als dies ohne Wende- oder Halsemanöver der Fall gewesen wäre.
Rollwende und Rollhalse sind erlaubt.
In den alten Regeln war die Rollwende durch die Bewegung des Mastes limitiert. Er durfte nur einmal aus der Vertikalen bewegt werden. Das gilt heute nicht mehr! Der limitierende Faktor ist jetzt die Geschwindigkeit: Wird das Boot durch die Wende beschleunigt, was bei Leichtwind gut möglich ist, war sie illegal.
42.3 b
Ist Wellenreiten oder Gleiten möglich, darf die Besatzung eines Bootes zur Einleitung des Wellenreitens und Gleitens mit der Schot und dem Achterholer eines beliebigen Segels pumpen, jedoch nur einmal bei jeder Welle bzw. Bö. Das gilt nicht auf einem Schlag oder einer Kreuz nach Luv.
Pumpen ist eingeschränkt erlaubt.
Wellen und Wind vorausgesetzt.

Wie aber kann man die Geschwindigkeit nach der Wende genau feststellen? Der beste Indikator sind die Nachbarboote. Wendet ein Boot beispielsweise direkt ins Lee eines anderen und schiebt sich gleich nach dem Manöver vor, war die Wende wahrscheinlich nicht korrekt.
Eine weitere Einschränkung muss man sich bei Leichtwind vor Augen halten. Es ist nicht erlaubt, wiederholt zu wenden oder zu halsen, ohne dass diese Manöver im Zusammenhang mit taktischen Überlegungen oder Windänderungen stehen. Man darf sich also nicht rollenderweise über den Kurs pumpen.

Es bedingt einiges an Übung, das Maximum aus diesen Spielräumen herauszuholen. Perfektes Timing der Besatzung ist absolutes Muss:
Wird ein Fireball zu weit gekrängt, hat er auf der Seite zu wenig Auftrieb, sinkt zu weit ein und stoppt. Auf die Seitendecks sollte kein Wasser kommen!

Wo bleibt der Wind

Bei Leichtwind entscheiden häufig Böen über Sieg oder Niederlage. Sie sind der einfachste Weg, die Bootsgeschwindigkeit massiv zu erhöhen. Man muss sie nur finden!

  • Beobachte dunklere Flecken auf der Wasseroberfläche. Sie bedeuten meistens mehr Wind. Wie breiten sie sich aus? Wie komme ich am schnellsten in die windreichere Zone?


  • Fahnen und Rauch an Land sind gute Indikatoren für Wind. Richtung und Stärke lässt sich daran abschätzen.


  • Die Krängung von entfernten Booten ist ein weiteres Zeichen für Wind, ist aber mit Vorsicht zu geniessen! Durch genaue Beobachtung merkt man aber, ob Krängung und Geschwindigkeit korrespondieren und wirklich mit mehr Wind zusammenhängen.


  • Die gesteuerte Höhe von anderen Booten wird meistens nur in Zusammenhang mit der Windrichtung gesehen. Aber mehr Wind bedeutet auch mehr Höhe! Darum kann dies auch ein Zechen für mehr Wind sein.

    freie BahnFreie Bahn:
    Auf der Kreuz sollte man nach 'freien Bahnen' Ausschau halten. Das ist freier Raum mit längerfristig ungestörtem Wind zwischen den anderen Booten, der einem erlaubt, mit Volldampf in die gewollte Richtung zu fahren. Bei Leichtwind wiegt jede kleinste Abdeckung besonders schwer. Die Windschatten stören vielfach mehr als bei viel Wind! Man muss alles nur Mögliche unternehmen, Luftstörungen zu vermeiden. Weiche Situationen aus, in denen andere Boote auf dich wenden können. Jede zusätzliche Wende ist ein Verlust. Pack also jede freie Bahn, die du kriegst und warte nicht auf die perfekte! Es könnte zu spät sein.

    Bei Leichtwind ist es manchmal besser, einen kleinen Strategiekompromiss einzugehen, um dafür einen sicheren Vorteil auszunützen.

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