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Der Vorwinder   aus Gazette 4-97

von Stefan Schärer

"Gähhhn ......, so langweilig!" Wer so denkt, irrt sich!

Die Tatsache, dass ein Segelboot mit Wind von achtern physikalisch bedingt langsamer und ruhiger fährt als raumschots und amwind, verleitet manch eine Crew zu passivem Verhalten auf dem Vorwindkurs. Rein physisch kann der Vorwinder eine gewisse Entlastung vom anstrengenden Hangen und der intensiven Grossschotarbeit des 'Steuerlis' an der Kreuz bieten.

Das Ziel jedes Regattaseglers, vor seinen Gegnern im Ziel zu sein, bestenfalls die Wettfahrt zu gewinnen, verlangt auch auf dem Vorwindkurs vollste Konzentration. Denn es gilt eigentlich die gleichen Faktoren zu beachten wie auf dem Kreuzkurs. Der Unterschied liegt, bedingt durch die Tatsache, dass ein Segelboot nur mit 45° zum Wind aufkreuzen kann, darin, dass man sich auf der Kreuz wesentlich weiter von der direkten Linie Boje - Boje entfernt. Somit wirken sich Winddrehungen, Windstärkendifferenzen und Strömungen distanzmässig stärker aus, als auf dem Vorwinder. Die Kreuz als 'Königin' der Kurse möchte ich hier also nicht in Frage stellen.

Lage des Kurses zur Windrichtung

Der Vorwinder ist kaum jemals ein wirklicher Vorwinder. Sollte es die Wettfahrtleitung zufälligerweise schaffen, die Linie Luvfass - Leefass genau in Windrichtung zu legen, stimmt diese, wenn du auf den Vorwinder gehst, meistens nicht mehr. Der Wind ist ein unkonstanter 'Geselle' und verändert sich ständig. Unterscheide hier generelle Winddrehungen (1), die klar eine Seite des Kurses bevorteilen oder pendelnde Winddrehungen (2), die anspruchsvoller sind.


Der Kurs stimmt genau: die Wahl der Seite ist abhängig von

  • deiner Distanz zum Gegner
  • Innenposition nötig oder nicht
  • der Richtung aus welcher sich der Wind aufbaut
  • der Drehtendenz des Windes
  • Der Wind hat nach links gedreht: Fahre den Vorwinder backbord, d.h. am Luvfass abfallen, Spi setzen, Anlieger oder tiefer.

    Der Wind hat nach rechts gedreht: Fahre den Vorwinder steuerbord, d.h. am Luvfass abfallen, halsen, Spi setzen (Gybe Set), Anlieger oder tiefer.

    Ein häufiger Fehler ist, dass beim Abfallen die Orientierung fehlt. Du musst vor dem Erreichen der Luvboje wissen, wo das Leefass liegt und auf welche Seite des Kurses du fahren willst. Ansonsten gerätst du stark von der direkten Linie Boje - Boje ab und verlierst dabei entscheidende Meter. Konzentriere dich also nicht nur auf das Spisetzmanöver, sondern schaue vorallem, wo du hinfährst!

    Wie kannst du nun feststellen, wie der Wind zum Kurs liegt?

    Vor dem Start fährst du ans Leefass und stellst dein Schiff in den Wind. Weicht der Wind nach links ab, fährst du den Vorwinder backbord und umgekehrt, gemäss 1b) und 1c). Rechne aber nicht damit, dass dies ständig so bleibt. Notiere also den Kompasskurs der Windrichtung und den Kompasskurs zum Luvfass. Dieser ist häufig auch auf dem Komiteeboot angeschrieben. Nun kennst du die Abweichung von Windrichtung zur Richtung zur Luvboje. Kreuze nun kurz auf jedem Bug und merk dir auch diese Werte. Gegen Ende der Kreuz kannst du die nun aktuellen Werte mit den Werten vor dem Start vergleichen und entscheiden, auf welchem Bug du den Vorwinder beginnen wirst.

    Mit Recht wirst du nun sagen, dies sei graue Theorie. In gewissem Sinne ist es das. Die so erfassten Daten sind jedoch ein gutes Mittel, um sich die Geometrie einer Regattabahn zu verdeutlichen. Sind die Dreher deutlich und weicht der Vorwindkurs relativ stark von der Windrichtung ab, kannst du dich auf die Daten verlassen. Verlierst du die Daten, hast du keine Zeit zum Rechnen oder konntest du sie gar nicht erfassen, musst du nach den Kriterien von 1a) die Wahl der Seite treffen.

    Bist du nun einmal auf dem Vorwinder und hast das Leefass gesichtet, dann weisst du, ob du auf der richtigen Seite bist. Liegst du falsch, dann handle rasch und halse.

    Mit dem Fireball brauchst du nicht sehr stark vom platten Vorwindkurs abweichen, um das optimale Verhältnis zwischen kürzester Distanz (Linie Boje - Boje) und räumlich besserer Geschwindigkeit zu haben.
    Überplatt fahre jedoch nie, denn da wird dein Böle eine lahme Ente! Es gilt also, den schnellsten Weg zu finden. Liegt der Kurs wie in 1b) und 1c), ist der Fall klar. Fahre direkt zur Leeboje oder eher etwas tiefer. Denn, wenn der Wind flacher wird, wirst du langsamer. Wird der Wind spitzer, profitierst du von einem Geschwindigkeitszuwachs. Bist du nach Lee gefahren, gewinnst du. Bist du nach Luv gefahren, wirst du 'Scheisse' sagen müssen. Denn das Abbauen von Überhöhe ist extrem verlustreich. Also: All ihr notorischen 'Luvkämpfler' aufgepasst! (Gilt übrigens auch auf dem Raumkurs!).

    Pendelt der Wind um die direkte Linie Luvfass - Leefass herum, gilt es, das im obigen Absatz Beschriebene umzusetzen. Nimm also genau wie auf der Kreuz die Dreher mit und halse. Oft sind mehrere Halsen notwendig, um die Dreher voll auszuschöpfen. Denke also nicht 150m vor dem Fass: Ich fahre den Kurs überplatt zu Ende und diese Halse lohne sich nicht mehr!
    Auf dem Vorwinder sollst du immer mit einem Auge zum Stander schauen . So kannst du feststellen, wann der Wind zu drehen beginnt. Zudem spürst du am Spi, wenn er nicht mehr richtig zieht und das Boot langsamer wird, wenn du überplatt bist. Dies ist, je nach Situation im Kurs, oft ein Zeichen zum Halsen.

    Windstärke

    Winddrehungen sind oft auch mit einer Veränderung der Windstärke verbunden. So ist die Reaktion auf eine Winddrehung meist auch mit der Ausnützung von sich neu aufbauendem stärkerem Wind verbunden. An der SM in Silvaplana war dies beispielsweise der Fall. Es ging darum, die schubweisen Böen im richtigen Moment einzufangen und auszufahren. Beobachte also das Wasser. Der Steuerli sitzt im Lee mit dem Rücken zum Grossbaum mit Blick nach Luv. Du kannst so genau die Böen beobachen und in sie hineinfahren. Stärkerer oder sich neu aufbauender Wind kann dann auch der Grund sein, um von der direkten Line Boje - Boje abzuweichen; jedoch alles mit Mass! Extrem kann dies in Flautenverhältnissen sein, wo es sich lohnt, auf die Seite zu fahren, von der du glaubst, dass der neue Wind herkommt.

    Interessant war auch der Gardasee bezüglich Vorwinder: Nicht nur auf der Kreuz galt es, entlang der Felsen den stärkeren Wind zu holen, ebenso platt vor dem Laken.

    Strömung

    Achte darauf, dass du nie gegen die Strömung Höhe abbauen musst! Der Effekt des Windes und des Stroms werden überlagert.

    Gegnerische Boote

    Die Windabdeckung von Booten, die hinter dir liegen, ist zu beachten. Der Einfluss des Windschattens spürst du ungefähr 6 Mastlängen weit. Beim Fireball ergibt dies ca. 40 Meter. Auf diese Entfernung ist der Windschatten jedoch relativ schwach und der gestörte Streifen schmal. Um ein voraus liegendes Boot in Abwind zu legen, ist der scheinbare Wind massgebend.

    Du brauchst nur so zu segeln, dass dein Stander genau oder leicht hinter das vorne liegende Boot zeigt, um sicher zu sein, dass es im maximal gestörten Wind liegt.
    Du spürst gut, wenn du in eine Abdeckung gerätst: Der Spi wird unruhig oder fällt gar zusammen. Denk in diesem Fall übergeordnet ans ganze Feld. Ausweichen nach Luv ist zwar eine naheliegende Reaktion, du kennst jetzt jedoch die Konsequenzen. Kommt mehr Wind von Luv und sind es viele Boote, die dich abdecken, wirst du mitziehen müssen. Doch provoziere nicht und denke an die Geometrie.

    Die zweite Möglichkeit ist, mit einer Halse auszuweichen: Wenn du eh schon sehr platt vor dem Wind bist und der Wind sogar noch dreht, kannst du deine Verfolger so souverän stehen lassen. Denk daran, dass neuer Wind, sofern nicht eine ganze Wand von Booten im Luv ist, auch im Lee wirksam wird. Eine Leetour kann sich lohnen. Es braucht etwas Mut und du musst sie konsequent fahren.

    Die Leetour hat bei einem backbord zu rundenden Kurs zudem den Vorteil, dass du mit Innenposition ans Leefass kommst. Dies ist eine sehr entscheidende Voraussetzung, um die nächste Kreuz in aussichtsreicher Position zu beginnen. Die Seitenwahl bei einem sehr flachen Vorwinder gemäss 1a) kann von diesem Ziel beeinflusst werden. Teile deinen sich in Luv befindlichen Gegnern frühzeitig und in aller Deutlichkeit dein Wegrecht an der Leetonne mit, denn du wirst als Leeboot oft übersehen!

    Bootsbeherrschung auf dem Vorwinder

    Diese ist sehr abhängig von der Windstärke. Zu beachten ist die Lage des Bootes im Wasser. Bei Leicht- und Mittelwind sitzt ihr beide vor der Ducht: der Steuerli im Lee, der Vorschoter im Luv. Am Heck sollten sich keine Wirbel bilden: Sauberer Abriss!
    Kränge das Boot leicht nach Luv. Das Gross ist maximal ausgefiert, der Spi wird möglichst weit im Luv gefahren, damit seine volle Fläche an den Wind kommt. Der Spibaum ist so hoch, dass beide Schothörner auf gleicher Höhe sind, d.h. Spibaum leicht über der Horizontalen. Oft wird dieser zu hoch gefahren. Bei ganz wenig Wind muss er unter die Horizontale gesenkt werden, damit der Spi noch steht.
    Die Halse wird analog zur Wende gerollt. Dies bedarf intensiver Übung.

    Bei 5 Bft. und mehr wird der Vorwinder bezüglich Boathandling anspruchsvoller. Hinzu kommen die Wellen, in die die Schnauze des Fireballs (vorallem die mit schmalem Bug) so gerne eintaucht. Das heisst, dass das Gewicht nach hinten zu verlagern ist. Wenn es extrem wird, sitzt der Steuerli beim Achtertank oder kniet hinter dem Schwertkasten am Boden. Der Vorschoter rutscht soweit nach hinten wie nötig.
    Hinzu kommt das Problem des seitlichen Rollens: Zum Druck der Segel kommt die Wirkung der Wellen, welche das Boot zum Schaukeln bringen. Die Kraft der Wellen muss mit feinen Gegenbewegungen am Ruder und mit Gewichtsverlagerungen auskorrigiert werden. Der Spi ist straffer zu führen (nicht fliegen lassen) und das Grosssegel ist mit etwas Niederholer zu stabilisieren.
    Bei der Halse, für viele der Inbegriff des Horrors, ist folgendes zu beachten: Je schneller es fährt, desto einfacher ist es zu halsen. Mit voll ziehendem Spi ist der Druck im Grosssegel weniger gross, so dass sich dieses sehr leicht von einer Seite auf die andere bewegen lässt. Die Spibarber sind beide dicht geholt, so steht der Spi von alleine und kann nicht seitlich ausbrechen. Wenn sich die Halse anfühlt, wie wenn du mit einem Messer durch Butter schneidest, dann wird es gut gehen. Wenn nicht, werdet ihr baden! Es ist vorallem die Sache des Steuerlis und da ich keiner bin, erspare ich mir weitere Tipps. Kurt (Liechti) ist da einer der Spezialisten (sofern das Ruder hält).

    Mir bleibt, euch viel Spass beim Üben zu wünschen und bis zum nächsten Mal platt vor dem Laken!

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